Der unbekannte Vatikan

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Ulrich Nersinger Der Vatikan ist auch heute noch für viele Menschen ein Faszinosum: entweder... mehr
Produktinformationen "Der unbekannte Vatikan"

Ulrich Nersinger

Der Vatikan ist auch heute noch für viele Menschen ein Faszinosum: entweder als Symbol der absoluten Macht des Nachfolgers Petri oder als Attraktion für ein außergewöhnliches Weltkunsterbe. 
Ulrich Nersinger zeichnet ein spannendes Bild der Geschichte des Vatikans. Er spannt einen Bogen von der heidnischen Antike bis zur Gegenwart. Besonders interessant ist die Vielschichtigkeit dieses Zentrums der katholischen Kirche – von der Verwaltung der Weltkirche bis hin zu kulturellen Errungenschaften und der Förderung der Wissenschaften.
Auch die religiöse Dimension des Papstes und der römischen Kurie als Dienst für die Weltkirche wird dargestellt.

Geb., 272 Seiten

Ulrich Nersinger, geboren 1957 in Eschweiler bei Aachen, studierte Theologie und Philosophie in Bonn, St. Augustin, Wien und Rom. Er ist Mitglied der „Pontificia Accademia Cultorum Martyrum“ und gilt als einer der bekanntesten deutschsprachigen Vatikanisten.

 

Tagespost, 05.07.2014

Der Vatikan in einer neuen, umfassenden Darstellung von Ulrich Nersinger:
Die Stechmücken mussten der Taube des Geistes weichen

Von Urs Buhlmann

Wenn der Name Ulrich Nersinger in der Autorenzeile eines Buches über den Vatikan auftaucht, dann weiß der Leser, dass er mit Qualität rechnen darf. Das neue Buch des dem Tagespost-Leser vertrauten Autors will nichts Geringeres übernehmen als die ganze Geschichte des römischen Hügels zu erzählen, der seit zwei Jahrtausenden der Kirche Christi Heimat gibt. Es gelingt Nersinger sehr gut, nicht nur die politische und kulturelle Dimension des Wirkens der Kirchen-Zentrale herauszuarbeiten, sondern er lässt darüber hinaus auch die religiöse Fundierung, das eigentliche Wozu des Ganzen, zu seinem Recht kommen: Am Ende geht es im Vatikan nicht um Pracht- oder gar Machtentfaltung, sondern um einen Dienst an der Weltkirche in der Person ihres obersten Hirten und Brückenbauers. Gerade der amtierende Papst lässt keinen Zweifel daran, was er sich von den Monsignori, Ordensleuten und Laien erwartet, die in seinem Dienst und unter seiner ständigen Präsenz – eine Fotografie des Pontifex hängt dort in jeder Stube – lange und vergleichsweise schlecht bezahlte Arbeitsstunden ableisten.
Chronologisch erzählt Ulrich Nersinger zunächst von der frühen Geschichte des einst übel beleumundeten „Ager Vaticanus“, des vatikanischen Feldes zu Füßen des gleichnamigen Hügels. In seiner berühmten  „Naturgeschichte“ nennt Plinius den Vatikan einen „Sumpf voller Stechmücken“ und erwähnt, dass dort „riesige Schlangen lebten, die kleine Kinder in einem Happen auffressen konnten“. Nicht nur das – würde milde lächelnd wohl mancher heutige Bewohner des Mons Vaticanus sagen. Für das junge Christentum zu einem wichtigen Ort wurde der Vatikan unter Kaiser Nero, zu dessen grausigen Belustigungen die Tötung der Christen in seinen privaten Gärten, eben dem Vatikan, gehörte. Im Jahre 64 fanden dann Petrus und Paulus, die beiden Gründer der christlichen Gemeinde Roms, der Überlieferung nach den Tod. Nersinger berichtet von der Sensation, als nach Ausgrabungen unter der Leitung des deutschen Prälaten Ludwig Kaas 1950 am bereits bekannten Tropaion, dem um 160 errichteten Grabmonument für Petrus, die griechischen Worte „Petros èni“ gefunden wurden (Petrus ist hier), zusätzlich Gebeine, die in einen kostbaren antiken Stoff gehüllt waren. Für Pius XII. war klar – und sein Nachfolger Paul VI. ist ihm darin gefolgt: „Das Grab des Apostelfürsten ist wiedergefunden worden!“
Es folgen die Baugeschichte des Petersdomes und die Historie der päpstlichen Titel, die der Autor bewusst theologisch deutet. Der „Päpstliche Almosengeber“ hat einen Auftritt, jener seit dem 13. Jahrhundert zum ersten Mal ernannte Prälat im Rang eines Erzbischofs, der – um besser für Nöte und Bedürfnisse ansprechbar zu sein – bis heute den Papst bei jedem größeren Auftritt zu begleiten hat. Auch wenn er den größeren Teil seines gar nicht kleinen Etats von der Kurie zur Verfügung gestellt bekommt, hat er eine zusätzliche Einkommensquelle, die auch mancher Rom-Tourist und Pilger kennt. Die päpstlichen Segensdiplome werden nämlich vom Almosengeber ausgestellt, nachdem handschriftlich der Name des Empfängers eingetragen (und ein entsprechender Obolus entrichtet) wurde. Wir erfahren, dass eigentlich Gelb und Rot die päpstlichen Farben waren, bis Pius VII. zur Farbe der beiden Schlüssel überging, die dem neuen Papst bei der Inbesitznahme seiner eigentlichen Bischofskirche, der Lateranbasilika, überreicht wurden. Die goldenen und silbernen Schlüssel „symbolisieren die dem Apostel Petrus von Christus übertragene Vollmacht, zu lösen und zu binden. In der Heraldik entsprechen Gold und Silber den Farben Gelb und Weiß“. Aber wer weiß schon, dass die erste Hymne der damaligen „Päpstlichen Staaten“ 1857 vom österreichischen Militärkapellmeister in päpstlichen Diensten Viktorin Hallmayer komponiert wurde? Kurz vor dem Heiligen Jahr 1950 merkte Pius XII. etwas säuerlich an, das Stück komme ihm vor „come un valzer“. Am Heiligabend des Jahres 1949 gab es also einen „musikalischen Wachwechsel“ und die seitdem verwendete, von drei Fanfarenstößen eingeleitete „Marche Pontificale“ des als Komponisten doch bedeutenderen Franzosen Charles Gounod kam erstmals zu Ehren.
Nicht ohne Sinn ist die Unterscheidung zwischen der Päpstlichen Kapelle, die Gesamtheit der Kleriker und Laien, die den Papst bei feierlichen Liturgien umgeben, und der Päpstlichen Familie als Bezeichnung für eine gleichfalls bunt gemischte Korona, die den Papst in seiner Eigenschaft als Haupt des Apostolischen Stuhls und Souverän des Staates der Vatikanstadt unterstützt. Hier und bei der Behandlung der päpstlichen Ehrentitel und Würden für Geistliche und Laien lässt sich Nersinger ein wenig von seiner Begeisterung für diese weltlichen, wenn auch notwendigen Dinge davontragen. So stellt er ausführlich vor, was es nicht mehr gibt: Die früheren Ehren- und Erbämter des Päpstlichen Hofes (den es seit 1968 auch nicht mehr gibt), den Ablauf eines Staatsbesuches beim Papst – immer noch möglich, aber seit Jahren nicht mehr vorgekommen – und vergisst zu erwähnen, dass Papst Franziskus mit Wirkung von diesem Jahr die Verleihung der Prälatentitel an Geistliche außerhalb der Kurie erheblich eingeschränkt hat. (Vielleicht denkt sich Nersinger, erfahrener Vatikanist, der er ist, dass dieser Maßnahme kein langes Leben beschieden sein wird.) Im Kapitel über die Nuntien erfahren wir, dass wiederholt päpstliche Legaten und Nuntien überfallen, verschleppt und ermordet, Nuntiaturen belagert, besetzt und geplündert wurden. Und auch, dass während des ersten Golfkrieges der Apostolische Nuntius einer der ganz wenigen Gesandten war, der im umkämpften Bagdad blieb – was ihm von der Bevölkerung hoch angerechnet wurde. Auch Radio Vatikan ist eine Möglichkeit für die Kirchenleitung, mit den Katholiken eines Landes und mit dessen Führung in Verbindung zu bleiben. Nachdem der Sender 1931 von Pius XI. in Betrieb genommen wurde, gab es in den ersten Jahren tatsächlich eine lateinische Ankündigung, wenn eine Papstrede übertragen wurde: „Attendite, Beatissimus Pater statim loquetur vobis = Achtung, der Hl. Vater wird gleich zu Euch sprechen.“ Dass es päpstliche Konsuln gegeben hat und theoretisch noch geben könnte, dass der Staat der Vatikanstadt sich ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, Hochseeschiffe unter seiner Flagge auslaufen zu lassen, dürfte für viele Leser neu sein. Ausführlich behandelt der Autor die päpstlichen Kongregationen, Räte und Gerichtshöfe und findet ein originelles Beispiel für deren Notwendigkeit: Der berühmte und für manche eher berüchtigte Glaubens-Präfekt Ottaviani unterstützte mit seinem Gehalt eine Reihe von Waisenhäusern und Heimen, „die er in seiner knapp bemessenen Freizeit häufig aufsuchte. Bei einem dieser Besuche sah er die Zöglinge eines Kinderheimes mit Holzschwertern kämpfen. Alfredo Ottaviani rief die Oberin des Hauses zu sich, leerte seine Geldbörse und sagte: ‚Kauft Fußbälle!‘ Nichts anderes macht die Kongregation für die Glaubenslehre tagtäglich. Sie erkennt Irrtümer, untersagt sie und zeigt die Alternative auf“. Ulrich Nersingers sorgfältig erarbeitetes Werk ist für Katholiken und Nicht-Katholiken (und auch für Nicht-Christen) eine seriöse und theologisch sensible Einführung in das sensible Thema der weltlichen Präsenz der Kirche und der historischen Genese ihrer zentralen Institutionen, das von so vielen Unwissenden und Übelwollenden gerne genutzt wird, um Religion und Glauben insgesamt anzugreifen. 

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